Seit dem 1.Oktober 2017 ist die Heirat für gleichgeschlechtliche Paare legal.
Seit 2018 dürfen wir auch in der kirchlich, d.h. in der evangelischen Kirche,
einen Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung für uns beanspruchen.
Traugottesdienste gibt es für uns nicht. Auch in der Kirche trauen sie uns nicht !
So musste ich 2020 meinen Sohn adoptieren und werde es im Jahr 2023 wieder tun müssen.
Nicht nur die Kirche traut uns nicht auch der Rechtsstaat erlaubt uns zwar hinten im Bus
zweiter Klasse mitzufahren, von der ersten Klasse sind wir aber noch meilenweit entfernt.
2017 dachte ich, endlich darf ich selbst darüber bestimmen, ob ich eines Tages meine Freundin
heirate oder im modernen Stil in wilder Ehe verbleibe. Ich hatte endlich die Wahl.
2020 musste ich erkennen, dass die vermeintliche Liberalität in Deutschland nur oberflächlicher
Natur ist. In ihren etablierten Strukturen bleibe ich Mensch zweiter Klasse. Mein Sohn
wurde geboren. Ich musste ihn - trotz verheiratet mit einer Frau- adoptieren, warum habe
ich bis heute nicht verstanden und dass das erst nach 6 Wochen auf Erden geht, noch weniger.
6 Wochen in denen wir hoffen, dass alles zur Geburt und direkt nach der Geburt gut verläuft.
Was wenn nicht? Dann wäre mein Sohn zu seinen Großeltern mütterlicherseits (Witz!)
gekommen, vor dem Gesetz hätte ich kein Anspruch gehabt. Jeder Mann, ob mit ihm außerehelich,
ehelich oder auch nicht verkehrt wird, darf in Deutschland die Vaterschaft anerkennen.
Ich, der ich zu fast jeden Kinderwunschtermin gegangen bin, der finanziell alles mitübernimmt,
der jedes Mal hofft und bangt bin in meinem Leben nur Spieler auf der Ersatzbank.
Die erste Wahl in Deutschland ist männlich!
Ein Mann kann vor oder nach der Geburt die Vaterschaft beim Jugendamt kostenfrei beantragen.
Kein Notar, kein Jugendamtsbesuch und kein Familiengerichtstermin: Als erstes sucht man sich
einen Notar. Alle Familienangehörigen Mama und Mami mittlerweile auch mein erster Sohn müssen
zum Notartermin erscheinen. Die Schrift wird verlesen und beglaubigt. Die Kosten tragen wir
natürlich selbst. Dann folgt der Besuch vom Jugendamt. Ich frage mich, wie oft das Jugendamt
bei meinen Schülern im Brennpunkt jemals zuhause war. Kapazitäten, die eigentlich in
Deutschland woanders gebraucht werden. Die Jugendamtsmitarbeiterin war - da wir in Berlin
wohnen- sehr nett und machte gleich zu Beginn klar, dass sie nur für Theo da sei. Sollten
nicht alle Kinder einen Anspruch darauf haben, dass das Jugendamt zu Beginn ihres Lebens
wenigstens einmal in persona vorbeikommt? Am Ende des Besuches sagte sie uns, dass sie ihre
Einschätzung so schreiben würde, dass wir nicht zum Familiengericht müssten. Mein Sohn wollte
während ihres Besuches nicht mehr meine Arm verlassen. Das war für sie ein gutes Zeichen, so
scheint es. Das Familiengericht entschied anders und ludt uns ein. Zwei Frauen, eine
Medizinerin mit Doktortitel und eine Lehrerin, der Zoo musste vorgeführt werden. Die Sitzung
dauerte 5 Minuten. Es ging ja nur darum zu sehen, wie solche Menschen aussehen. Nachdem sie
uns dann noch ihre heteronormative Weltsicht im Sinne von sind sie sich sicher, heutzutage
werden viele Ehen wieder geschieden…in meiner Lebensgruppe trifft das nicht zu… entließ sie
uns mit den Worten: „Genießen sie ihren freien Tag!“. Meine Frau fuhr danach zur Arbeit und
ich musste meinen Unterricht erneut umstrukturieren, verkürzen, strecken oder neu konzipieren
wegen der Affenschau. Offensichtlich arbeitet diese Minderheit in ihrer Welt nicht. Willkommen
im diversen Berlin.
Diskriminierung in Berlin existiert nur dann nicht, wenn man im richtigen Bezirk als Student
oder Freelancer lebt und sich seine Chefs oder Kollegen aussuchen kann. Sobald man durch
Familie gesellschaftlich verankert wird, schlägt dir die Diskriminierungswelle immer wieder
ins Gesicht. Die Menschen in diesem System sind nicht 35 Jahre alt, trinken Latte Macchiato
und tragen ein Käppi und einen Bart. Sie sind die nullachtfünfzehn Bürger, die ihr Wissen aus
ihrer homogenen Gesellschaftsvorstellung entnehmen. Sich bereits tolerant erklären, wenn sie
nur ein homosexuelles Paar oder Menschen kennen, das bedeutet über drei Ecken schon mal bei
einer von Freunden ausgerichteten Party gesehen haben.
Schlussendlich hat es mich summa summarum ein halbes Jahr gekostet, einen Platz auf der
Geburtsurkunde meines Sohnes zu ergattern. Same procedure as every year: 2023 kommt unser
zweites Kind zur Welt und genau dasselbe erwartet uns wieder.